Herbert Schweizer: Keine halbherzige sozial-ökologische Reform!

Veröffentlicht am 14.05.2016 in Aktuelles

Der emeritierte Professor für Soziologie Dr. Herbert Schweizer, Mitglied der SPD, plädiert für eine Abkehr der Wachstumspolitik und gibt im Positionspapier mit obigem Titel ein Plädoyer für eine Erneuerung der europäischen Sozialdemokratie.

Schweizer geht es um die Durchsetzung einer Gemeinwohl-orientierung in der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft und eine sozial gerechte Politik der Suffizienz „angesichts der Einsicht, dass unbegrenztes Wachstum alle physischen, sozialen und kulturell  begrenzten Systeme zerstört.“ Er hält einen bescheidenen "Wohlstand ohne Wachstum" für praktisch möglich, der nicht nur zu materiellem Bedarfswohlstand führe, sondern auch zu Beziehungs-, Zeit- und Orientierungswohlstand in einer "Tätigkeitsgesellschaft". Er formuliert eine neue "Globalvision" der SPD des 21. Jahrhundert.

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Zusammenfassung des Positionspapiers auf der AKC-Klausur in Berin am 16.4.2016:

Der quantitative und qualitative Relevanzverlust der SPD (SPÖ, PS etc.) ist evident. Der AKC könnte in kritischer Loyalität Initialzündung für Nachdenklichkeit, Weitblick, Ermutigung auslösen.

Seit Jahren wird davon geredet, dass es bei Misserfolgen kein Tabu geben dürfte. Geschehen ist aber so gut wie nichts. Mit hektischem "Ambivalenzmanagement", "Sowohl-als auch", Hecheln nach Beifall einer imaginären stabilen "Mitte", unqualifizierten Bemühen und. "Zusammenhalt" erwecken wir immer nur den Eindruck eines "Schlingerkurses". Dem ist letztlich nicht mit Aktionismus, sondern einer glaubwürdigen Selbstpräsentation und eine überzeugenden Vision für's 21.Jhdt zu entkommen, auch einem Gesamtkonzept einer neuen kurz-, mittel- und langfristigen Politik.

Auf dem Hintergrund und geopolitisch-globalen Krisenhorizonts kann und muss die Leitfrage der SPD, die  soziale Frage", neu als sozial-ökologisch-friedenspolitische Frage wiedererkannt und zu einem neuen, entschieden vertretenen Verständnis der SPD als Partei sozialer Gerechtigkeit führen. Damit könnte die SPD auch endlich auf Augenhöhe in der zivilgesellschaftlichen Diskussion um Wirtschaftswachstum und eine postindustrielle Gesellschaft kommen. Drei nur analytisch-idealtypisch unterscheidbare Strategieperspektiven bieten sich dabei an: Energieeffiziensteigerung (E.U.v.Weizsäcker), konsequente Orientierung an einer Gemeinwohlökonomie (Ch.Felber), Politik der Suffizienz (N.Paech,Tim Jackson)

Für eine befristete Übergangszeit ist eine Konzentration auf Effizienzsteigerung akzeptabel. Daraus darf aber kein Technologiewahn und ein "Grüner Kapitalismus" werden, der im besten Fall die Probleme der Ressourcenverknappung nur hinausschieben kann. Schritt um Schritt muss eine Gemeinwohlorientierung in der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft durchgesetzt werden. Was in gesamtgesellschaftlichen und vor allem regionalen Gemeinwohlbilanzen als positiv bewertet wird, muss im Sinne größerer Gerechtigkeit systematisch und auch institutionell gefördert werden.

Letztlich ist es aber für alle von größtem Vorteil, möglichst bald eine sozial gerechte Politik der Suffizienz (Genügsamkeit, des Ankommens statt stetiger Steigerung) zu betreiben, angesichts der Einsicht, dass für alles die Gesetze der Physik (Thermodynamik, Entropiegesetze) gelten und unbegrenztes Wachstum alle physischen, sozialen und kulturell  begrenzten Systeme zerstört. Diese Politik der Suffizienz kommt zwar keinesfalls ohne Wachstumsreduktion und Wachstumszwang aus, führt aber nicht zwangsläufig in eine vormoderne Substistenzwirtschaft mit chronischer Armut und Massenelend; auch nicht in der sogenannten "Dritten Welt". Vielmehr ist ein bescheidener" Wohlstand ohne Wachstum" praktisch möglich und führt dann nicht nur zu materiellem Bedarfswohlstand, sondern auch zu Beziehungs-, Zeit- und Orientierungswohlstand in einer "Tätigkeitsgesellschaft" (inkl. spezif. Sicherungssysteme), die die Grenzen der industriepolitischen "Arbeitsgesellschaft überwinden kann. Ein solches oder ähnliche Gesamtkonzept könnte die SPD im 21. Jahrhundert wieder konkurrenzfähig machen, ja zu Meinungsführerschaft verhelfen.

In diesem Sinne könnte die "Globalvision" der SPD des 21. Jh. etwa lauten: jeder/jedem ein einfaches aber gutes Leben mit allem, was jede/jeder braucht, damit auch andere "gut leben" können, die natürlichen, sozialen, kulturellen Lebensgrundlagen erhalten bleiben und in Europa eine soziale Demokratie möglich wird. Christen können Weitblick und "Auferstehungshoffnung" wachhalten.

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