Ängste überwindet man nicht mit Beschimpfungen - Interview des DLF mit Wolfgang Thierse

Veröffentlicht am 12.02.2014 in Arbeitsgemeinschaften

Am 10. Februar sendete der Deutschlandfunk ein interessantes Interview mit Wolfgang Thierse, Mitglied des Sprecherkreises des Bundes-Arbeitskreises Christinnen und Christen in der SPD, zum Thema der Diskussion um das Arbeitspapier "Leitprinzipien des Bildungsplans", zu dem auch die Regionalgruppe Heidelberg/Rhein-Neckar eine Stellungnahme an das Kultusministerium schickte. Ein excellenter Beitrag.

Thierse sagte u.a.:

"Wir bedürfen in dieser Gesellschaft noch der Diskussion und diese Diskussion muss auch erlaubt sein, ohne sich wechselseitig ständig Diskriminierung, Vorurteile, Phobien aller Art vorzuwerfen. Das Thema Homosexualität ist ja nur ein besonders gegenwärtig leidenschaftlich diskutiertes. Und da es sozusagen jeden Tag in den Nachrichten erscheint seit einigen Monaten, beschäftigt es die Leute auch. Aber es gibt natürlich auch noch Antisemitismus-Vorwurf, Anti-Islamismus-Vorwurf, Christen-Feindlichkeit. Also wir sehen: Wir sind immer noch mitten drin in einem Prozess, wo Diskussion notwendig ist, angemessen ist und wo Toleranz auch gelernt werden muss.

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Toleranz meint ja nicht bloße Duldung, meint ja auch nicht Beliebigkeit, Laissez faire, Gleichgültigkeit in dem Sinne, dass alles gleich gültig ist, sondern Toleranz ist eine sehr, sehr anstrengende, sehr herbe Tugend. Es meint nämlich die Verbindung davon, dass man für die eigenen Überzeugungen eintritt, sie auch vertritt und das verbindet mit dem Respekt vor anderen Überzeugungen, anderen Einstellungen, anderen Positionen. Und das ist, wie wir immer wieder sehen, wahnsinnig schwierig.

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In diesen Arbeitsrichtlinien ist sehr viel ausdrücklich von den, wie heißt es da, LSBTTI-Menschen die Rede, aber so gut wie überhaupt nicht in diesen Leitprinzipien von Ehe und Familie, was immerhin noch eine Menge Menschen für wichtig, für richtig, für normal, wie auch immer Sie es bezeichnen, halten. Dieses Ungleichgewicht, glaube ich, das erregt Ängste und Ängste machen ungerecht, Ängste machen intolerant. Und ich sage noch einmal: Ängste überwindet man nicht dadurch, dass man sie beschimpft und dass man meint, weg damit. Dann sind sie immer noch da und suchen sich eher verquere Ausdrucksformen.

Das ganze Interview:
Interview des DLF mit Wolfgang Thierse